Nachmittags, so um 16.00 Uhr

…immer noch der 14430. Tag in meinem Leben. 

Bin auf Station. Habe mein Zimmer bezogen. Zweibettzimmer. Die Integration in den Krankenhausalltag oder begrenzter: in den Stationsablauf, erfolgt mit jedem Aufenthalt immer schneller. Fast schon pervers. Aber es ist tatsächlich so. Man filtert. Die Aufnahmekapazität reduziert sich auf nur noch wenige, wesentliche Dinge: Wo ist mein Bett? Welcher Schrank? Duschgelegenheiten? Steckdosen? Patiententeeküche? Getränke? Schwesternzimmer? Fernsehaktivierung? Internetzugang? Bibliothek? Cafeteria? Öffnungszeiten? Entlassungsdatum? Und wer liegt da eigentlich neben mir? Ich stelle mich vor. Keine Reaktion. Ich versuche es noch mal. Nichts. Nele, die für den Nachmittag zuständige Krankenschwester, übernimmt die Vorstellungsrunde: „Das ist Frau …, 89 Jahre alt, dement. Sie ist ‘ne ganz Liebe und Ruhige. Außerdem wird sie morgen entlassen. Wenn irgendwas ist, klingle einfach!“ Der letzte Satz irritiert mich ein bisschen. Aber gut. Jetzt mal nicht so skeptisch. Fluchttendenz: 73,5 Prozent. Erst mal ein bisschen Ergotherapie in Form von Einrichten. Ich stehe von meinem Bett auf und bewege mich Richtung Schrank, um meine Klamotten aus dem dort schon platzierten Koffer zu entnehmen. Ich öffne den Schrank. Ich versuche, mein Gehirn und damit gleichzeitig sämtliche olfaktorischen Sinne auszuschalten.
 Meine Fluchttendenz steigt auf  80Prozent                                                                                
Nirgendwo bekommt man eine so geballte Krankenhausgeruchsladung entgegen geschleudert wie beim Öffnen eines dortigen Kleiderschrankes. Eine Mischung aus Desinfektionsmittel, Putzmittel und Ausdünstungen etlicher Patientenleben. Krankengeschichten. Menschenschicksale.
Lieber wäre es mir allerdings, wenn diese Menschen die Schränke mit Kulis oder, wenn vorhanden, mit Farbe und Kreide vollgekritzelt hätten. So wie damals die Höhlenbewohner. Der Duft des Krankenhauses wird mir immer mehr zuwider. Mit jedem Krankenhausaufenthalt wird es extremer. Ich stelle den Koffer komplett in den Schrank. Kümmere mich um meinen Nachtschrank. Meine Bettnachbarin wälzt sich die ganze Zeit hin und her. Jetzt versucht sie, aus dem Bett über das Gitter zu steigen. Ich versuche, sie anzusprechen. Sie hält mich für Ihre Schwester und freut sich riesig, dass ich sie jetzt aus dem Kindergarten abhole. Schließlich habe ich ihr ja versprochen, in den Zoo zu gehen. Ich lache. Die Situation ist echt komisch. Tragisch. Wir brauchen nicht mal mehr Eintrittskarten zu kaufen. Wir sind schon längst im Zoo angekommen. Nächste Attraktion: Um 17:00 Uhr: Fütterung der Raubtiere und Menschenaffen … heute, aufgrund des schlechten Wetters, befinden sich alle Tiere im Innenbereich.
HERZLICH WILLKOMMEN!
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